kraftplatz-Blog

An dieser Stelle teile ich einige meiner Erfahrungen und Gedanken über Trauer, Sterben und das Leben. Um zu informieren, inspirieren und vor allem zu enttabuisieren. Ich freue mich, wenn Du meine Beiträge kommentierst, teilst oder auch Wünsche für neue Themen einbringst. 

Alles Liebe

Petra 

2024-09-15

Nur eine Floskel?

Was sagen wir am besten, wenn jemand stirbt? «Mein herzliches Beileid»? Oder ist das nur eine Floskel? Was bedeutet «Beileid» überhaupt und gibt es noch einfühlsame Alternativen dazu? Viel Freude beim Lesen und teile doch gerne, wie Du Trauernden gegenübertrittst oder was Du in Deiner Trauer als mitfühlend und emphatisch empfunden hast!

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Beileid

Viele sehen es als Floskel an, die nur so dahingesagt wird. Weil man es halt so sagt. Was sollen wir auch sonst sagen, wenn jemand einen Herzensmenschen verloren hat? Egal ob ein «Mir fehlen die Worte», «Es tut mir so leid» oder eben «Mein herzliches Beileid» - wichtig ist, dass es von Herzen kommt. Trauernde spüren den Unterschied zwischen aufrichtigem Mitgefühl und einer nur so dahin gesagten Beileidsbekundung.

“Beileid” – Ich bin bei dir, wenn du leidest. Ich stehe dir bei deinem Leid bei.

Das verstehe ich unter “Beileid”. Für mich eine tröstliche Vorstellung, jemanden an meiner Seite zu haben, der mir beisteht. Trotzdem kann dieser Ausspruch unterschiedlich wahrgenommen werden. Wie alles. Ein «Entschuldigung» hat nicht immer dieselbe Wirkung, obwohl dasselbe gesagt wird. Es kann dem Zweck dienen, aber ohne jegliches Gefühl und Ernsthaftigkeit ausgesprochen werden oder eben ausdrücken, dass einem etwas wirklich von Herzen leidtut. So ist es auch in der Trauer. Es kommt gar nicht so sehr darauf an, was wir einem trauernden Menschen sagen oder schreiben, sondern mehr, dass wir überhaupt etwas sagen und wie wir es vermitteln. Manchmal braucht es nicht einmal Worte. Eine innige Umarmung, ein Handhalten, ein mitfühlender Blick, eine Schulter zum Anlehnen, ein offenes Ohr oder ein nebeneinander Schweigen können in manchen Situationen genauso viel oder noch mehr zum Ausdruck bringen.

Tabu und Ignoranz

Warum fällt es uns eigentlich so schwer, etwas oder das «Richtige» zu sagen? Wahrscheinlich, weil der Tod ein Tabuthema ist. Weil wir unser Gegenüber nicht verletzen oder noch trauriger machen wollen. Und weil Trauer in unserer Gesellschaft kaum Platz hat und wir deshalb nicht “geübt” darin sind. Ignoranz und das Nichts-Sagen sind jedoch häufig das Schlimmste. Sie werten den Schmerz über den Verlust ab und lassen teilweise sogar Scham- und Schuldgefühle bei Hinterbliebenen aufkommen. Es kommt vor, dass Leute die Strassenseite wechseln, wenn ihnen die Mutter entgegenkommt, die gerade ihr Kind verloren hat. Vermutlich aus Unsicherheit und Angst, wie auf diesen Schicksalsschlag reagiert werden soll. Einerseits verständlich. Doch, was fühlt die Frau, die sich endlich überwunden hat, das Haus zu verlassen, wenn sie neben den verstohlenen Blicken - die sie selbstverständlich bemerkt - auch noch gemieden wird? Hat sie etwas falsch gemacht? Trägt sie die Schuld? Sollte sie noch nicht wieder unter Leute gehen?

Oder der Ehemann, der nach dem Tod seiner Frau wieder arbeiten geht und von niemandem gefragt wird, wie er zurechtkommt. Ja, manche Hinterbliebene möchten sich nach einem Todesfall mit Arbeit ablenken und deshalb dort nicht auf das Geschehene angesprochen werden. Das ist auch in Ordnung und kann dann so kommuniziert werden. Schade ist jedoch, wenn Betroffene sich gerne mitteilen würden, aber niemand nachfragt oder zuhört. Mir ist bewusst, dass es nicht leicht ist, auf Trauernde zuzugehen und ihnen das erste Mal nach ihrem Verlust zu begegnen. Trotzdem ist es für viele Menschen ein Schlag ins Gesicht, wenn sie und ihre Emotionen in der vielleicht schlimmsten Zeit ihres Lebens ignoriert werden.

Unangemessenes Verhalten

Es gibt Aussagen, die in der akuten Trauer als verletzend oder unsensibel empfunden werden können. Natürlich ist das sehr individuell und dennoch möchte ich hier einige Bemerkungen aufzählen, bei denen das der Fall sein könnte:

- «Es ist besser so.»
Steht es anderen zu, darüber zu urteilen?

- «Es ist eine Erlösung für sie/ihn.»
Diese Aussage kann die Trauer abwerten. Selbst wenn der/die Verstorbene nun vielleicht nicht mehr leidet, darf trotzdem um ihn/sie getrauert werden.

- «Du bist doch noch jung und kannst wieder schwanger werden.»
Jedes Baby ist einzigartig und kann nicht einfach ersetzt werden.

- «Er/sie war doch schon so alt.»
Das Alter sagt nichts über die Verbindung zwischen zwei Menschen aus!

- «Es war doch absehbar.»
Macht das den Verlust weniger schmerzhaft?

- «Du musst nach vorne schauen.»
Trauer braucht Zeit und darf sein. Verdrängen wir sie, holt sie uns irgendwann ein.

- «Ich weiss genau, wie du dich fühlst.»
Diese Aussage kann als übergriffig und anmassend empfunden werden, weil die Gefühle in der Trauer sehr individuell sind. Wir können nur erahnen, wie sich jemand fühlt.

Gleichzeitig ist es beispielsweise unangemessen, sich bei einer Mama, die vor kurzem ihr Baby beerdigen musste, über den Schlafmangel, wunde Brustwarzen oder hartnäckige Schwangerschaftspfunde zu beschweren. Alles nachvollziehbare Herausforderungen im Mama-Alltag. Aber genau diese würde sich die verwaiste Mama sehnlichst herbeiwünschen. Ebenso unsensibel ist es, wenn wir uns beim Freund, dessen Bruder erst kürzlich bei einem Autounfall um`s Leben kam, über Geschwisterstreitigkeiten auslassen oder uns bei der Tochter, die gerade ihre Mutter verloren hat, über die Überfürsorglichkeit unserer Mama beklagen.

Wie entstehen solche Situationen überhaupt? Ist es Unachtsamkeit oder fehlende Empathie? Oder vielleicht der «normale» Egoismus unserer heutigen Gesellschaft? In meinen Augen kann ein unüberlegter Spruch jedem passieren. Weil wir unsicher oder überfordert sind oder in dem einem Moment einfach unachtsam. Entscheidend ist jedoch, wie wir darauf reagieren - falls wir es merken….

Überforderung

Trauernde sind selbst mit verschiedensten Situationen im Alltag überfordert und erwarten nicht, dass ihr Umfeld souverän und «perfekt» mit ihnen umgeht. Vor allem, weil sich Bedürfnisse von trauernden Menschen manchmal stündlich ändern. Wie so oft im Leben, können ehrliche, offene Worte so manche Hürde aus dem Weg räumen. Häufig stellt schon allein das Schreiben einer Trauerkarte eine grosse Herausforderung dar. Welche Worte bringen mein tiefes Mitgefühl zum Ausdruck? Wir haben nach dem Tod unseres Sohnes viel Post bekommen. Es waren Gedichte, vorgedruckte Texte und Selbstgeschriebenes dabei. Auch Sätze wie «Mir fehlen die Worte» oder «Wir sind fassungslos». Nichtssagend? Nein, gar nicht! Das drückt für mich das Unverständnis und die Erschütterung über ein schlimmes Ereignis aus, welches auch unser Gegenüber sprachlos macht.

Zum Schluss möchte ich noch auf den Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid eingehen. Für mich ein sehr bedeutender Punkt. Wenn ich bei einem Schicksalsschlag mitfühle, dann gelingt es mir, mich in die trauernde Person hineinzuversetzen und ihre Gefühle zu achten. Ich fühle mit ihr, ohne sofort etwas tun zu wollen oder das Leid abzuwenden und behandle sie auf Augenhöhe. Anders sieht es jedoch aus, wenn ich meine Betroffenheit und meine eigenen Gefühle so sehr in den Mittelpunkt stelle, dass ich in dem Moment fast mehr leide als der/die Trauernde selbst und keine Unterstützung mehr bin. 

Hiermit schliesst sich der Kreis zum Beileid - Ich bin bei dir, wenn du leidest. Ich stehe dir bei deinem Leid bei.

In diesem Sinne wünsche ich allen Trauernden liebevolle, mitfühlende Menschen um sich, die ihnen beistehen. Gleichzeitig möchte ich ermutigen, unser Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Auf welche Art und zu welchem Zeitpunkt auch immer.

Alles Liebe
Petra

Admin - 19:45:14 @ Allgemein, Trauer | Kommentar hinzufügen