kraftplatz-Blog

An dieser Stelle teile ich einige meiner Erfahrungen und Gedanken über Trauer, Sterben und das Leben. Um zu informieren, inspirieren und vor allem zu enttabuisieren. Ich freue mich, wenn Du meine Beiträge kommentierst, teilst oder auch Wünsche für neue Themen einbringst. 

Alles Liebe

Petra 

2024-06-08

Wertfrei

Auf Trauer kann sich niemand vorbereiten. Sie überrollt einen und ist einfach da. Nimmt Raum ein und verändert alles. Jeder Verlust ist einzigartig und hat seine eigene Trauer verdient. Trotzdem scheint unsere Gesellschaft eine konkrete Vorstellung zu haben, wie getrauert werden sollte. Ja nicht zu lange und zu intensiv. Aber auch nicht zu kurz. Sonst könnte der Eindruck entstehen, die Person war einem nicht wichtig genug. Wie lange ist denn angemessen?

In meinem heutigen Beitrag möchte ich aufzeigen, dass es kein Richtig oder Falsch im Trauerprozess gibt. Es ist, wie es ist…

Viel Freude beim Lesen!

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Ein schönes Alter

Auch wenn die 90-jähige Oma friedlich einschlafen durfte, gibt es vielleicht eine Enkelin, für die der Verlust ihres Lieblingsmenschen unerträglich ist. Oder einen Ehemann, der über 60 Jahre mit ihr verheiratet war und die Einsamkeit nun kaum aushält. Das Alter ist völlig irrelevant.

Es entsteht eine Lücke, die für andere manchmal gar nicht sichtbar ist. 

Noch kein richtiges Baby

Die Frau, die ihr Baby in der 9. Schwangerschaftswoche verliert, hört Sätze wie «Du bist doch noch jung und kannst wieder schwanger werden!» oder «In den ersten zwölf Wochen kann das halt passieren.» bis hin zu «Es war ja noch kein richtiges Baby.«. Alles vermeintlich gut gemeinte Ratschläge und Floskeln, die verletzen können. Manche Frauen erleben eine frühe Fehlgeburt und können «gut» damit umgehen. Anderen, die vielleicht schon jahrelang versuchen, schwanger zu werden und sich nichts sehnlicher wünschen als ein Baby, kann es auch das Herz brechen.

Wem steht es zu, hier zu werten?

Er hat schon eine Neue!

Sollten wir uns nicht einfach für den Witwer mit den drei Kindern freuen, der wieder eine Partnerin an seiner Seite hat, die ihm Halt, Zuversicht und Liebe gibt? Ganz egal, wie kurz oder lang nach dem Verlust seiner Frau. Wer weiss, ob das nicht sogar der letzte Wunsch seiner Ehefrau war? Dass er wieder glücklich wird und sich neu verliebt. Und selbst, wenn nicht.

Wer kann Liebe schon planen?

Zu viel?

Darf eine Mama in Tränen ausbrechen, weil sie im Schwimmbad der Schulklasse ihres verstorbenen Sohnes begegnet, obwohl es doch «schon» ein halbes Jahr her ist?

Ist es «normal», dass Eltern auch nach vier Jahren noch fast täglich um ihr Kind weinen?

Dürfen beim Klang eines Alphorns, in aller Öffentlichkeit die Tränen fliessen, weil die Mama diese Musik liebte und ihr Verlust gerade ganz präsent ist? Auch noch nach fünf Jahren?

Natürlich soll es irgendwann wieder Lichtblicke geben, aber das braucht Zeit. Solange die Trauer nicht gelebt wird, kann keine Heilung stattfinden. Und es darf ein Leben lang Momente oder Tage geben, an denen die Welt etwas grauer und die Sehnsucht riesengross ist.

Das zeigt lediglich die Liebe, die nie vergeht.

Zu wenig?

Darf die Frau, die vor zwei Monaten eine stille Geburt erlebte, tanzen gehen, weil sie das einen Abend ihre Trauer vergessen lässt?

Ist es erlaubt, dass ein Papa drei Tage nach dem Tod seines Sohnes wieder arbeiten geht, weil er es zuhause nicht aushält?

Trauert die Tochter, die vor zwei Wochen ihre Mutter beerdigt hat, nicht genug, weil sie herzhaft über einen Witz lachen muss?

Manchmal braucht es eine Pause von der Trauer, der Schwere und dem Schmerz. Um Energie zu tanken, weil Trauern Schwerstarbeit ist. Um Normalität zu leben, in Zeiten, in denen nichts mehr ist, wie es einmal war.

Lasst uns Trauernden sanft und liebevoll begegnen. Mit Mitgefühl, einem offenen Herzen und Respekt, anstatt verurteilend und wertend. Und hoffen wir, dass wir in unserer eigenen Trauer einmal ein wohlwollendes, verständnisvolles Umfeld geniessen dürfen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Trauernden den Mut, ihre Trauer so zu leben, wie sie sich gerade zeigt und «richtig» anfühlt. Denn es ist Eure Trauer!

Alles Liebe
Petra

Admin - 23:48:15 @ Allgemein, Trauer | Kommentar hinzufügen