An dieser Stelle teile ich einige meiner Erfahrungen und Gedanken über Trauer, Sterben und das Leben. Um zu informieren, inspirieren und vor allem zu enttabuisieren. Ich freue mich, wenn Du meine Beiträge kommentierst, teilst oder auch Wünsche für neue Themen einbringst.
Alles Liebe
Petra
2024-08-18
Wir alle haben es schon einmal verspürt - zu Recht oder auch zu Unrecht. Vielleicht haben wir daraus gelernt, sind daran gewachsen oder auch daran zerbrochen. Heute widme ich mich diesem starken Gefühl, das häufig in der Trauer auftritt und so schwer auszuhalten ist.
Viel Freude beim Lesen!
Schuldgefühle
Kein Mensch ist perfekt und trotzdem liegt die Ursache von Schuldgefühlen in dieser Forderung und dem Verurteilen von Fehlern. Das Gefühl, für etwas die Schuld zu tragen, besagt nicht, dass wir tatsächlich etwas Falsches getan haben. Wir verhalten uns so, wie es uns zu diesem Augenblick möglich ist – entsprechend unserer bisherigen Lebenserfahrung, unserem Wissen, unserer Einschätzung der Situation, unserer Tagesverfassung. Möglich, dass es ein angemesseneres Verhalten gegeben hätte und gleichzeitig waren wir im entscheidenden Moment nicht in der Lage anders zu reagieren. Das Leben ist Perfektion, so unperfekt es manchmal auch scheinen mag. Auch wenn wir es manchmal als absolut ungerecht und furchtbar empfinden. Eine harte Aussage – ich weiss. In manchen Lebenssituationen kann ich diese Vorstellung nicht teilen. Trotzdem glaube ich, dass alles aus einem Grund geschieht, wir auf gewisse Abläufe keinen Einfluss haben und die Bedeutung dahinter vielleicht erst viel, viel später (oder auch gar nie) verstehen.
Die Psychologin Helga Kernstock-Redl beschreibt in ihrem Buch «Schuldgefühle», das sogenannte «Schutzmantelphänomen»:
Solange uns ein Schuldgefühl suggeriert, wir hätten etwas falsch gemacht, schützt es vielleicht davor, sich der wahren Ohnmacht oder Trauer stellen zu müssen. Zudem ist unser Gehirn darauf programmiert, permanent die Ursache für die gegenwärtigen Umstände zu suchen. Es will ständig aus Fehlern lernen.
Die Suche nach der Ursache
Nachdem wir erfuhren, dass das Herz unseres Babys in der 37. Schwangerschaftswoche aufgehört hatte zu schlagen, entwickelte ich ziemlich schnell Schuldgefühle und verschiedene Fragen gingen mir durch den Kopf:
«Fühlte sich unser Baby unerwünscht, weil mein Mann und ich uns vor einer Woche heftig gestritten hatten?»
«Habe ich mich zu wenig geschont?»
«Hätte ich es irgendwie verhindern können?»
Objektiv betrachtet können vermutlich alle Fragen mit «nein» beantwortet werden. In dem Moment jedoch suchte ich nach einer Erklärung, wie das Unglaubliche tatsächlich eintreten konnte.
Als wir nach der Schreckensnachricht nochmal eine Nacht nachhause gingen, kam mir auf einmal in den Sinn, dass ich mir vor kurzem einen Landjäger genehmigt hatte, obwohl ich ansonsten die komplette Schwangerschaft darauf verzichtete. Lag es daran?! Ich rief völlig verzweifelt nachts um 1.30 Uhr im Gebärsaal an. Das Angebot, dass wir uns jederzeit melden könnten, war in meiner Verfassung goldwert. Die Hebamme versicherte mir, dass es definitiv nicht an diesem Landjäger liegen würde, dass unser Baby gestorben war. Ausserdem würde morgen das Testergebnis für Toxoplasmose (kann durch den Verzehr von rohem oder ungekochten Fleisch übertragen werden) vorliegen und dann hätte ich es schwarz auf weiss. Trotzdem liess mich der Gedanke, dass ich für den Tod von Manuel verantwortlich sein könnte, diese Nacht nicht mehr los.
Am nächsten Morgen fuhren wir wieder ins Spital und da das Ergebnis noch nicht vorlag, äusserte ich meine Angst nochmals bei der diensthabenden Hebamme. Sie hielt mich mit festem Griff an den Schultern, schaute mich an und sagte: «Frau Weibel, Sie sind nicht schuld, dass ihr Baby tot ist! Es braucht mehr als einen Landjäger, dass ein Baby stirbt. Ich weiss, es ist unbegreiflich, aber manchmal hört das kleine Herz einfach auf zu schlagen. Sie sind nicht schuld!» Ihr Blick und die Bestimmtheit in ihrer Stimme, waren genau das, was ich brauchte. Obwohl mir die andere Hebamme bereits das gleiche erklärte, musste ich es nochmal hören. Kurz danach kam zum Glück das negative Testergebnis bezüglich Toxoplasmose. Erst dann konnte ich dieses Schuldgefühl vollständig loslassen.
In den Tagen bis Manuel endlich geboren wurde, kamen noch weitere Fragen und Gedanken auf. Ich führte viele Gespräche mit meinem Mann und der Seelsorgerin. Ich war mir sicher, dass sein Tod irgendeinen Grund hatte, auch wenn wir diesen gerade noch nicht nachvollziehen konnten. Gleichzeitig war ich wütend auf meine verstorbene Mama, weil ich mir so sicher war, dass sie auf dieses Baby aufpassen würde. Und nun war es tot. Wieso hatte sie das nicht verhindert? Ich gab die Schuld also weiter. Für eine kurze Weile verdrängte die Wut einen Teil meiner Trauer, was mich vermutlich für die bevorstehende Geburt zu Kräften kommen liess. Durch das Benennen und Aussprechen meiner starken Gefühle verebbte die Schuldzuweisung an meine Mama jedoch schnell wieder.
Ein paar Wochen nach der stillen Geburt suchten mein Mann und ich einen Psychologen auf. Bei ihm sprach ich aus, was mich immer noch beschäftigte:
«Vielleicht war unser Sohn doch nochmal «umgedreht», weil er sich nach unserem grossen Streit ungeliebt und nicht willkommen fühlte.»
Der Psychologe erklärte mir sehr fachlich und rational die medizinischen Abläufe, wenn ein Herz aufhört zu schlagen und dass dieser Streit darauf keinen Einfluss hätte. Medizinisch gesehen mag das korrekt sein, jedoch fühlte ich mich auf emotionaler Ebene komplett unverstanden und nicht gehört. Inzwischen weiss ich, dass es vielen Trauernden so geht. Es ist sehr bedeutend, wer einen in einem Trauerprozess begleitet. Die Homepage oder ein kurzes Telefonat mit der Fachperson vermitteln oft schon einen ersten, entscheidenden Eindruck, ob eine Vertrauensbasis entstehen könnte. Sollte dies beim ersten Treffen nicht so sein, rate ich auf jeden Fall, nach einer anderen Anlaufstelle zu suchen. Weil es so wichtig ist, dass wir uns nach einem Schicksalsschlag gut betreut und aufgefangen fühlen! Manche Trauernde schätzen auch den Austausch mit anderen Betroffenen im Rahmen einer Selbsthilfegruppe oder eines Trauercafés.
Hadern und Zweifeln
Ähnlich wie ich, quälen sich die meisten Frauen bei einem Kindsverlust anfangs mit Schuldgefühlen und hinterfragen ihr Verhalten in der Schwangerschaft. Weil es so schrecklich und unbegreiflich ist. Weil sie es verstehen wollen. Weil doch nichts ohne Grund passiert. Weil doch irgendetwas oder irgendjemand die Verantwortung dafür tragen muss. Für manche Eltern ist aus diesem Grund eine Obduktion sehr wichtig. Wird eine medizinische Ursache gefunden, wird der Tod erklärlich. Aber wird er dadurch auch leichter auszuhalten? Oder taucht dann trotzdem die Frage auf, warum eine Erkrankung oder Fehlfunktion genau dieses Baby getroffen hat? Handelt es sich um einen Gendefekt oder eine vererbbare Krankheit, kann dieses Wissen für eine Folgeschwangerschaft natürlich von Vorteil sein. Alles andere ist sehr individuell.
Im Trauerprozess wird viel analysiert, bewertet und immer wieder durchdacht:
«Hätte ich nur nicht seine Hand losgelassen, um meinen Autoschlüssel aus der Tasche zu holen!» denkt vielleicht die Mutter, deren 2-jähriger Sohn plötzlich losrannte und das entgegenkommende Auto nicht sah.
«Warum habe ich ihm kein Taxi gerufen?» fragt sich vielleicht der Mann, der ahnte, dass sein Freund schon zu viel getrunken hatte und ihn trotzdem heimfahren liess.
«Warum bin ich nach der Schule nicht direkt heimgekommen?» fragt sich vielleicht der Sohn, dessen Mutter zuhause an einem Herzinfarkt verstarb.
«Hätte ich nur nochmal ins Zimmer geschaut!» denkt sich vielleicht die Oma, deren Enkel nicht mehr aus dem Mittagsschlaf erwachte.
«Warum habe ich nicht bemerkt, dass es ihr so schlecht geht?» fragt sich vielleicht der Ehemann, der einen Abschiedsbrief seiner immer so fröhlichen Frau fand.
Vor allem Hinterbliebene von Suizidtoten fühlen sich verantwortlich, weil sie nicht verhindern konnten, dass ihr geliebter Mensch freiwillig aus dem Leben trat. Oder verzweifeln daran, dass sie nicht einmal etwas von den suizidalen Gedanken bemerkten. Sie nehmen damit Schuld auf sich, an der sie fast zerbrechen. Trägt jedoch ein Mensch Schuld für den Todeswunsch eines anderen? Oder ist jeder für sein Leben selbst verantwortlich? Können wir jemanden umstimmen, der nicht mehr leben will? Auf dieses Thema gehe ich in einem anderen Blog-Beitrag gerne noch genauer ein.
Fakt ist, dass Schuldgefühle in vielen Trauerprozessen auftreten. Egal ob es um die Schuld des eigentlichen Todes geht oder darum, wie wir mit der Trauer oder mit unserem Umfeld umgehen. Wir fühlen uns häufig schuldig, verantwortlich, haben ein schlechtes Gewissen und gestehen uns gewisse Emotionen gar nicht erst zu.
Unterstützung
Was hilft uns dabei? Bedeutend ist auf jeden Fall, dass wir die Schuldgefühle (sowie auch alle anderen Gefühle) wahrnehmen, zulassen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Das ist gar nicht so leicht. Vor allem wenn es um Schuld geht, reagieren Familie und Freunde oft unverständlich und hilflos. Es ist schwer auszuhalten, wenn sich eine nahestehende Person mit solchen Gedanken quält. Allerdings hilft es nicht, wenn wir diese klein reden oder abtun. Wie gerne würden wir Trauernden diese negativen und in unseren Augen vielleicht sinnlosen Überlegungen abnehmen! In diesen Momenten ist es wichtig, dass wir die Schuldgefühle unseres Gegenübers ernst nehmen, da sein lassen und aktiv zuhören. Das bedeutet, dass wir die Betroffenen alles aussprechen lassen. Jeder noch so kleine Gedankengang kann nötig sein, um Ordnung in das Gedankenkarussell zu bringen.
Manchmal braucht es jedoch auch eine aussenstehende Person, um dieses quälende Gefühl loszulassen. Jemand mit mehr Abstand, ohne Mitleid, jedoch mit Mitgefühl, Geduld, Empathie und fachlichen Kompetenzen. Beispielsweise kann durch den Prozess «The Work» von der US-Amerikanerin Byron Katies die Perspektive in unserem eigenen Denken gewechselt und so die Schuldfrage aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Verschiedene Rituale oder Fantasiereisen können ebenfalls unterstützen, um sich von Schuldgefühlen zu befreien.
In diesem Sinne wünsche ich allen Trauernden, den Mut, ihre Gefühle zuzulassen, die Kraft, diese auszuhalten und irgendwann den Zeitpunkt, um Frieden damit zu schliessen.
Alles Liebe
Petra
Admin - 15:44:59 @ Allgemein, Trauer | Kommentar hinzufügen
JeJetzt ist es tatsächlich soweit – mein erster Blog-Beitrag ist fertig! Und wie so oft im Leben, ist er ganz anders geworden, als ursprünglich geplant. Aber das ist in Ordnung und ich verlasse mich da auch in Zukunft gerne auf meine Intuition. Das heutige Thema liegt mir m Herzen, weil mir dadurch meine Haltung zum Leben und Sterben wieder einmal bewusst wurde und ich so den gedanklichen Stein für mein Wirken als Sterbe- und Trauerbegleiterin ins Rollen brachte. Ich hoffe, dass es dich nicht abschreckt, sondern eher inspiriert und auf positive Weise zum Nachdenken anregt.
«Stell dir vor, du hättest nur noch 24 Stunden zu leben»
Das war meine erste Aufgabe in der Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin. Puuh, was für ein sanfter Einstieg! Wie würde ich meinen letzten Tag gestalten? Eine Party feiern? Alle Menschen, die mein Leben bereichert haben, nochmal treffen? Lieber nur mit meinen Kindern und meinem Mann die letzten Stunden verbringen? Vielleicht noch irgendetwas Ausgefallenes, Verrücktes erleben? Oder für mich allein sein? So viele Möglichkeiten und doch so wenig Zeit. Würde ich überhaupt wissen wollen, dass ich bald sterbe? Was würde es ändern? All diese Fragen haben mich zum Nachdenken gebracht - über mich, mein Leben, mein Umfeld, meine Einstellung zum Leben und zum Tod.
Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Auch um meinen Mann oder meine Schwester müsste ich mir keine Sorgen machen. Sie wären traurig, ja. Aber sie würden irgendwie ohne mich zurechtkommen. Jedoch meine beiden Kinder zurückzulassen und ohne Mama aufwachsen zu wissen, würde mir das Herz brechen. Es wäre einfach noch zu früh.
«Schreibe einen Abschiedsbrief»
Bei der zweiten Aufgabe, einem Abschiedsbrief an meine Tochter und meinen Sohn, rollten hemmungslos die Tränen. Es erscheint unmöglich in einem Brief all meine Liebe zum Ausdruck zu bringen und alles zu sagen, was ich ihnen mit auf den Weg geben will. Zum ersten Schultag, bei ihrem ersten Liebeskummer, ihrer Hochzeit, zur Geburt ihrer Kinder... Unendlich viele Momente, in denen ich einfach sagen möchte «Ich liebe dich und ich bin stolz auf dich!». Es folgten noch weitere Briefe an die wichtigsten Menschen in meinem Leben. In jedem einzelnen ging es dabei auch um meine Kinder. Diese bedingungslose, reine und tiefe Liebe macht mich so dankbar. Vor allem, weil es nicht in meiner Hand liegt, wieviel Zeit mir mit ihnen geschenkt wird.
«Lebe ich MEIN Leben?»
Eine Frage, die mich seit diesem ersten Ausbildungswochenende in regelmässigen Abständen immer wieder begleitet. Glücklicherweise kann ich sie momentan mit «JA» beantworten. Ich liebe mein Leben und bin zufrieden. Diese Erkenntnis ist beruhigend, denn wer weiss schon, wann die Sanduhr abgelaufen ist?
Natürlich ist nicht immer alles rosarot und eitel Sonnenschein, aber ich mag mein Leben. Das Mama- und Ehefrausein, meiner Berufung als Trauerbegleiterin nachzugehen und manchmal gegen den Strom zu schwimmen. Mein grosses Ziel ist es, nicht erst auf dem Sterbebett «aufzuräumen», sondern bereits auf meinem Lebensweg zu lieben, achtsam und intuitiv durch die Welt zu gehen, zu verzeihen, auszusprechen, was ich zu sagen habe und Frieden zu schliessen mit dem, was war, was ist und was kommt.
Der Tod meines Sohnes Manuels vor fünf Jahren hat hier Grosses bewirkt. Nichts passiert «einfach so». Auch wenn wir manchmal den Grund dafür nicht (oder noch nicht) nachvollziehen können oder vielleicht auch gar nicht wollen. Deshalb ist es mir so wichtig, mein Leben «à la Petra» zu leben und nicht nach den Vorstellungen anderer. Ich möchte in meinen letzten Stunden positiv, stolz und mit einem Lächeln im Gesicht auf meine Lebensgeschichte zurückblicken. Und mich auf ein Wiedersehen mit meiner Mama und Manuel freuen.
In diesem Sinne wünsch ich dir, dass du DEIN Leben lebst und vielleicht magst du ja teilen, wie du deine letzten 24 Stunden verbringen würdest.
Alles Liebe
Petratzt ist es tatsächlich soweit – mein erster Blog-Beitrag ist fertig! Und wie so oft im Leben, ist er ganz anders geworden, als ursprünglich geplant. Aber das ist in Ordnung und ich verlasse mich da auch in Zukunft gerne auf meine Intuition. Das heutige Thema liegt mir am Herzen, weil mir dadurch meine Haltung zum Leben und Sterben wieder einmal bewusst wurde und ich so den gedanklichen Stein für mein Wirken als Sterbe- und Trauerbegleiterin ins Rollen brachte. Ich hoffe, dass es dich nicht abschreckt, sondern eher inspiriert und auf positive Weise zum Nachdenken anregt.
«Stell dir vor, du hättest nur noch 24 Stunden zu leben»
Das war meine erste Aufgabe in der Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin. Puuh, was für ein sanfter Einstieg! Wie würde ich meinen letzten Tag gestalten? Eine Party feiern? Alle Menschen, die mein Leben bereichert haben, nochmal treffen? Lieber nur mit meinen Kindern und meinem Mann die letzten Stunden verbringen? Vielleicht noch irgendetwas Ausgefallenes, Verrücktes erleben? Oder für mich allein sein? So viele Möglichkeiten und doch so wenig Zeit. Würde ich überhaupt wissen wollen, dass ich bald sterbe? Was würde es ändern? All diese Fragen haben mich zum Nachdenken gebracht - über mich, mein Leben, mein Umfeld, meine Einstellung zum Leben und zum Tod.
Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Auch um meinen Mann oder meine Schwester müsste ich mir keine Sorgen machen. Sie wären traurig, ja. Aber sie würden irgendwie ohne mich zurechtkommen. Jedoch meine beiden Kinder zurückzulassen und ohne Mama aufwachsen zu wissen, würde mir das Herz brechen. Es wäre einfach noch zu früh.
«Schreibe einen Abschiedsbrief»
Bei der zweiten Aufgabe, einem Abschiedsbrief an meine Tochter und meinen Sohn, rollten hemmungslos die Tränen. Es erscheint unmöglich in einem Brief all meine Liebe zum Ausdruck zu bringen und alles zu sagen, was ich ihnen mit auf den Weg geben will. Zum ersten Schultag, bei ihrem ersten Liebeskummer, ihrer Hochzeit, zur Geburt ihrer Kinder... Unendlich viele Momente, in denen ich einfach sagen möchte «Ich liebe dich und ich bin stolz auf dich!». Es folgten noch weitere Briefe an die wichtigsten Menschen in meinem Leben. In jedem einzelnen ging es dabei auch um meine Kinder. Diese bedingungslose, reine und tiefe Liebe macht mich so dankbar. Vor allem, weil es nicht in meiner Hand liegt, wieviel Zeit mir mit ihnen geschenkt wird.
«Lebe ich MEIN Leben?»
Eine Frage, die mich seit diesem ersten Ausbildungswochenende in regelmässigen Abständen immer wieder begleitet. Glücklicherweise kann ich sie momentan mit «JA» beantworten. Ich liebe mein Leben und bin zufrieden. Diese Erkenntnis ist beruhigend, denn wer weiss schon, wann die Sanduhr abgelaufen ist?
Natürlich ist nicht immer alles rosarot und eitel Sonnenschein, aber ich mag mein Leben. Das Mama- und Ehefrausein, meiner Berufung als Trauerbegleiterin nachzugehen und manchmal gegen den Strom zu schwimmen. Mein grosses Ziel ist es, nicht erst auf dem Sterbebett «aufzuräumen», sondern bereits auf meinem Lebensweg zu lieben, achtsam und intuitiv durch die Welt zu gehen, zu verzeihen, auszusprechen, was ich zu sagen habe und Frieden zu schliessen mit dem, was war, was ist und was kommt.
Der Tod meines Sohnes Manuels vor fünf Jahren hat hier Grosses bewirkt. Nichts passiert «einfach so». Auch wenn wir manchmal den Grund dafür nicht (oder noch nicht) nachvollziehen können oder vielleicht auch gar nicht wollen. Deshalb ist es mir so wichtig, mein Leben «à la Petra» zu leben und nicht nach den Vorstellungen anderer. Ich möchte in meinen letzten Stunden positiv, stolz und mit einem Lächeln im Gesicht auf meine Lebensgeschichte zurückblicken. Und mich auf ein Wiedersehen mit meiner Mama und Manuel freuen.
In diesem Sinne wünsch ich dir, dass du DEIN Leben lebst und vielleicht magst du ja teilen, wie du deine letzten 24 Stunden verbringen würdest.
Alles Liebe
Petra
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